Einleitung
Netzwerkkommunikation funktioniert nicht zufällig – sie basiert auf klar definierten Protokollen und Strukturen. Um diese Strukturen besser zu verstehen, wurden Modelle entwickelt, die beschreiben, wie Daten innerhalb eines Netzwerks übertragen werden. Zwei dieser Modelle sind das OSI-Modell und das in der Praxis dominierende TCP/IP-Modell.
Dieser Beitrag erklärt beide Modelle im Detail, zeigt ihre Unterschiede auf und vermittelt praxisnah, warum sie für den Aufbau und das Verständnis von Netzwerken unverzichtbar sind.
Inhalt:
- Einleitung
- Fazit
1. Was ist ein Schichtenmodell?
Ein Schichtenmodell dient dazu, komplexe Netzwerkprozesse zu strukturieren. Es teilt die Kommunikation zwischen Geräten in mehrere logisch aufeinander aufbauende Ebenen (Schichten).
Jede Schicht hat eine bestimmte Aufgabe und kommuniziert ausschließlich mit der direkt darüber- und darunterliegenden Schicht.
Vorteile:
- Standardisierung
- Modulare Entwicklung
- Einfachere Fehlersuche
- Herstellerunabhängigkeit
2. Das OSI-Modell (Open Systems Interconnection)
Das OSI-Modell ist ein theoretisches Referenzmodell mit sieben Schichten. Es wurde von der ISO (International Organization for Standardization) entwickelt und dient als Lern- und Analysewerkzeug.
Schicht | Bezeichnung | Aufgabe |
7 | Anwendung (Application) | Schnittstelle zur Software (z. B. Browser, E-Mail-Client) |
6 | Darstellung (Presentation) | Formatierung, Verschlüsselung, Komprimierung |
5 | Sitzung (Session) | Sitzungsaufbau, -steuerung und -abbau |
4 | Transport | Zuverlässige Datenübertragung (z. B. TCP) |
3 | Vermittlung (Network) | Routing, IP-Adressierung (z. B. IP) |
2 | Sicherung (Data Link) | MAC-Adressen, Rahmenbildung, Fehlererkennung |
1 | Bitübertragung (Physical) | Übertragung von Bits über das physische Medium (Kabel, Funk) |
Merksatz:
„Alle dummen Studenten träumen nicht sehr brillant“
(= Anwendung, Darstellung, Sitzung, Transport, Netzwerk, Sicherung, Bitübertragung)
2.1. Anwendungsschicht (Application Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht stellt die Schnittstelle zwischen Benutzeranwendung (z. B. Webbrowser, E-Mail-Client) und dem Netzwerk bereit. Sie verarbeitet die Anfragen des Nutzers und übergibt sie an die darunterliegenden Schichten. - Funktionen:
- Dienstbereitstellung (z. B. HTTP, FTP, SMTP, DNS)
- Benutzerinteraktion
- Anwendungsprotokolle
- Beispiel:
Du öffnest den Browser und gibst www.technovira.de ein – die Anwendungsschicht nutzt HTTP, um eine Webanfrage zu formulieren.
2.2. Darstellungsschicht (Presentation Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht sorgt dafür, dass Daten in ein einheitliches Format gebracht werden. Sie ist zuständig für Konvertierung, Kodierung, Verschlüsselung und Kompression der Daten. - Funktionen:
- Datenformate umwandeln (z. B. von ASCII zu JPEG)
- Verschlüsselung (z. B. TLS)
- Komprimierung (z. B. GZIP)
- Beispiel:
Eine HTTPS-Webseite nutzt TLS, um die übertragenen Daten auf dieser Ebene zu verschlüsseln und damit vor Dritten zu schützen.
2.3. Sitzungsschicht (Session Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht verwaltet Sitzungen (Sessions) zwischen zwei Kommunikationspartnern. Sie sorgt dafür, dass eine Verbindung aufgebaut, synchronisiert und beendet wird. - Funktionen:
- Verbindungssteuerung
- Dialogsteuerung (Voll-/Halbduplex)
- Sitzungswiederaufnahme
- Beispiel:
Beim Video-Streaming (z. B. Netflix) stellt diese Schicht sicher, dass deine Sitzung mit dem Server stabil bleibt – auch bei Verbindungsunterbrechungen.
2.4. Transportschicht (Transport Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht ist für die zuverlässige Datenübertragung zwischen zwei Endpunkten zuständig. Sie sorgt für Fehlererkennung, Datenflusskontrolle und ggf. Neuzustellung verlorener Pakete. - Funktionen:
- Segmentierung und Wiederzusammensetzung der Daten
- Fehlerkontrolle (Checksummen)
- Flusskontrolle
- Ports zur Adressierung von Diensten (z. B. Port 80 für HTTP)
- Protokolle:
- TCP: Zuverlässig (z. B. bei Web- und E-Mail-Verkehr) – Verbindungsorientiert
- UDP: Unzuverlässig, aber schnell (z. B. bei Online-Gaming oder VoIP) – Verbindungsloss
- Beispiel:
Beim Aufruf einer Webseite teilt TCP die Daten in Segmente auf, nummeriert sie, überwacht die Zustellung und fordert ggf. verlorene Pakete erneut an.
2.5. Vermittlungsschicht (Network Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht regelt das Routing von Daten durch mehrere Netzwerke. Sie adressiert Datenpakete mit logischen Adressen (IP-Adressen) und bestimmt den optimalen Weg zum Ziel. - Funktionen:
- IP-Adressierung
- Routing (Wegewahl)
- Paketweiterleitung zwischen Netzen
- Fragmentierung großer Pakete
- Protokolle: IP, ICMP, ARP
- Beispiel:
Ein Paket mit Ziel-IP142.250.185.206
(Google) wird auf dieser Ebene über mehrere Router geleitet, bis es beim richtigen Zielnetzwerk ankommt.
2.6. Sicherungsschicht (Data Link Layer)
- Was passiert?
Diese Schicht stellt eine fehlerfreie Verbindung zwischen zwei direkt verbundenen Geräten her (z. B. PC ↔ Switch). Sie erkennt Übertragungsfehler, nutzt MAC-Adressen zur Identifikation und verwaltet den Zugriff auf das Übertragungsmedium. - Funktionen:
- Rahmenbildung (Frames)
- Fehlererkennung (CRC-Prüfung)
- MAC-Adressierung (physische Adresse)
- Medienzugriffskontrolle (z. B. CSMA/CD bei Ethernet)
- Beispiel:
Der Switch erkennt anhand der MAC-Adresse, welches Gerät ein Paket erhalten soll, und sendet es gezielt an den richtigen Port.
2.7. Bitübertragungsschicht (Physical Layer)
- Was passiert?
Die physikalische Schicht kümmert sich um die tatsächliche Übertragung von Bits (0 und 1) über das physische Medium – z. B. Kupferkabel, Glasfaser, Funk oder Licht. - Funktionen:
- Umwandlung von Bits in elektrische/optische Signale
- Stecker, Kabeltypen, Spannungen, Frequenzen
- Übertragungsraten
- Beispiel:
Ein Ethernet-Kabel sendet elektrische Signale zwischen deinem Computer und dem Router. Die Geschwindigkeit (z. B. 1 Gbit/s) hängt u. a. vom Kabeltyp (Cat5e, Cat6) ab.
3. Das TCP/IP-Modell
Das TCP/IP-Modell ist das in der Praxis verwendete Protokollmodell und besteht aus vier Schichten. Es wurde vom US-Verteidigungsministerium entwickelt und ist die Grundlage des heutigen Internets.
Schicht | Entspricht im OSI | Aufgabe |
Anwendung | OSI 5–7 | Dienste wie HTTP, FTP, SMTP |
Transport | OSI 4 | TCP (zuverlässig), UDP (schnell, verbindungslos) |
Internet | OSI 3 | Routing, IP-Adressierung |
Netzzugang | OSI 1–2 | Physikalische Verbindung, MAC-Adressen, Ethernet |
4. Vergleich: OSI vs. TCP/IP
Merkmal | OSI-Modell | TCP/IP-Modell |
Schichtenanzahl | 7 | 4 |
Status | Theorie / Referenzmodell | Praktische Implementierung |
Trennung der Schichten | Streng getrennt | Weniger klar abgegrenzt |
Flexibilität | Hoch | Auf Protokollfamilie abgestimmt |

5. Praxisbeispiel: Eine Webseite aufrufen
Wenn man www.technovira.de im Browser eingibt, passiert Folgendes:
- Anwendungsschicht: Der Browser (HTTP) sendet eine Anfrage.
- Transportschicht: Die Anfrage wird mit TCP in Pakete verpackt.
- Internetschicht: IP kümmert sich um die Adressierung.
- Netzzugangsschicht: Ethernet und MAC-Adresse sorgen für die Übertragung im LAN.
Das Zielsystem verarbeitet diese Pakete in umgekehrter Reihenfolge.
6. Weitere Beispiele für Protokolle
Schicht (OSI) | Typische Protokolle |
7 – Anwendung | HTTP, FTP, SMTP, DNS |
4 – Transport | TCP, UDP |
3 – Netzwerk | IP, ICMP, ARP |
2 – Sicherung | Ethernet, PPP, Frame Relay |
1 – Bitübertragung | DSL, WLAN, Glasfaser, Kupferleitungen |
Fazit
Das Verständnis des OSI- und TCP/IP-Modells ist elementar für den Aufbau, die Fehleranalyse und die Optimierung von Netzwerken.
Das OSI-Modell dient als theoretisches Lernmodell mit klaren Schichten. Das TCP/IP-Modell hingegen wird tatsächlich in der Praxis verwendet – insbesondere im Internet und in modernen Unternehmensnetzwerken.